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Oberflächenaktivierung von
niederenergetischen Oberflächen

Der Beitrag beschäftigt sich mit der Oberflächenaktivierung von niederenergetischen Oberflächen. Es wird dargestellt wie niederenergetische Oberflächen von Kunststoffen, wie z.B. Polypropylen, PTFE oder Silikon wirkungsvoll mit kaltem Atmosphärendruckplasma behandelt werden können, um eine gute Benetzbarkeit zu erreichen und so die Haftkraft eines akrylatbasierten Haftklebers zu optimieren.

Einleitung

Niederenergetische Oberflächen haben einerseits die positive Eigenschaft Schmutz abzuweisen und Wasser abperlen zu lassen. Allerdings lassen sich diese Kunststoffe typischerweise sehr schlecht bedrucken oder verkleben.

Alle Oberflächen besitzen eine charakteristische Polarität und Oberflächenspannung. Die Oberflächenenergie ist eine wichtige Entscheidungsgrundlage bei der Auswahl des passenden Haftklebstoffes. Neben Rauheit und Sauberkeit bestimmt die Oberflächenenergie die maximal erreichbare Haftkraft des Klebers. Als Grundregel lässt sich festhalten: Die Oberflächenenergie des Haftklebers muss niedriger sein als die Oberflächenenergie des zu beklebenden Materials (Substrat). Akrylatbasierte Kleber sind polar und verfügen daher über eine relativ hohe Oberflächenenergie. Akrylatbasierte Kleber erzielen bei polaren Substraten (z. B. Glas oder Metallen) mit einer hohen Oberflächenenergie eine optimale Endhaftung.

Kritischer ist die Anwendung von akrylatbasierten Klebern bei Materialien mit niedriger Oberflächenenergie (unpolare Substrate) wie z.B. Silikon, PTFE und Polypropylen. Einfacher als für jedes Substrat eine neue Klebstoffformulierung zu verwenden, wäre es die Oberfläche z.B. mit einer atmosphärischen Plasmabehandlung auf ein ausreichendes Niveau der Oberflächenenergie anzuheben.

Materialien und Methoden

Es wurden drei sehr weit verbreitete niederenergetische Polymere für die Versuche ausgewählt:

  • Polytetrafluorethylen (PTFE) mit 19 mN/m
  • Silikon mit 26 mN/m
  • Polypropylen (PP) mit 31 mN/m

Zur kalten Oberflächenbehandlung wurde ein einfaches handgeführtes Kaltplasmasystem piezobrush® PZ2 verwendet. Zum Vergleich wurde auch eine Behandlung der Oberfläche mit einer typischen atmosphärischen gepulsten Plasmadüse plasmabrush® PB3 durchgeführt. Als Prozessgas wurde Luft und Formiergas (N2:H2 = 95:5) eingesetzt.

Eine erste Indikation zur Oberflächenenergie kann mit Testtinten gewonnen werden, die auf die Probe aufgetragen werden. Die Proben wurden jeweils bis zur Hälfte dem Plasmaprozess ausgesetzt. In Abbildung 1 ist für alle Proben eine deutliche Erhöhung der Oberflächenenergie zu erkennen.

Oberflächenaktivierung von niederenergetischen Oberflächen
Abbildung 1) Effekt einer kalten atmosphärischen Plasmabehandlung (Dauer 3s) jeweils im oberen Probenteil. (A) Polypropylen mit Luft, (B) PTFE mit Luft, (C) PTFE mit Formiergas, (D) Silikonelastomer mit Formiergas, (E) Silikonelastomer mit Luft.

Haftkräfte wurden in einem Schälversuch in einer Zugmaschine bei definierter Abzugsgeschwindigkeit gemessen. Während des Zugversuchs pellt sich das Klebeband zunächst von der unbehandelten und dann von der plasmabehandelten Oberfläche ab. Bei allen Zugversuchen wird eine sprunghafte Erhöhung der Adhäsion beobachtet, die auf der Probe mit dem Übergang von der unbehandelten (niederenergetischen) zur behandelten (hochenergetischen) Oberfläche korreliert.

Zugversuch mit einem Acrylat beschichteten Haftklebeband. Die ursprünglich sehr geringe Haftkraft wird um ein Mehrfaches gesteigert.
Abbildung 2) Zugversuch mit einem Acrylat beschichteten Haftklebeband. Die ursprünglich sehr geringe Haftkraft wird um ein Mehrfaches gesteigert.

Polypropylen, ein weit gebräuchliches thermoplastisches Polymer, ist physiologisch unbedenklich sowie biologisch inert und daher für Anwendungen im Lebensmittelbereich und der Pharmazie sehr gut geeignet. Wegen seiner geringen Oberflächenenergie lässt sich Polypropylen nur schlecht kleben oder bedrucken. Daher wird die Behandlung der Oberfläche, z.B. mit Corona-Anlagen im großtechnischen Maßstab eingesetzt. [1,2,3,4]

Für Polypropylen wird mit der kalten Behandlung mit dem piezobrush® PZ2 ausgehend von einer 31 mN/m nach kurzer Behandlungszeit einer Oberflächenenergie von ca. 58 mN/m erreicht. Aus dem Schälversuch ergibt sich eine Verdopplung der Adhäsion für ein acrylatbasiertes Klebeband.

Silikonelastomere werden aufgrund ihrer hervorragenden mechanischen Eigenschaften, ihrer Beständigkeit gegenüber UV-Licht und ihrer chemischen Beständigkeit auch bei erhöhten Temperaturen in vielen Bereichen eingesetzt. Der Nachteil von Silikonelastomeren ist die problematische Verbindung mit anderen Materialien aufgrund der niedrigen Oberflächenenergie.

Der Effekt durch die kalte Entladung des piezobrush® PZ2 mit Formiergas ist nur unwesentlich ausgeprägter als der bei Verwendung von Luft. In beiden Fällen wird vollständige Wasserbenetzbarkeit erreicht.

Bekannt ist, dass durch Plasmabehandlung Silikone mit hydrophilen Oberflächeneigenschaften dargestellt werden können, dieser Effekt aber nicht über einen längeren Zeitraum stabil ist. [5,6,7,8]

Die Oberflächenenergie der mit kaltem Plasma aktivierten Silikonoberfläche nimmt auf einer Zeitskala von Stunden bereits merklich ab. Die Abnahme hat einen exponentiellen verlauf und je nach Silikonart eine Halbwertszeit von einigen Minuten, bis zu einigen Tagen.
Abbildung 3) Die Oberflächenenergie der mit kaltem Plasma aktivierten Silikonoberfläche nimmt auf einer Zeitskala von Stunden bereits merklich ab. Die Abnahme hat einen exponentiellen verlauf und je nach Silikonart eine Halbwertszeit von einigen Minuten, bis zu einigen Tagen.

PTFE ist sehr reaktionsträge. Seine chemische Beständigkeit sorgt für eine lange Lebensdauer und gute Verträglichkeit im medizintechnischen Bereich. PTFE ist einer der wenigen Kunststoffe, die im Autoklaven bei 130 °C dampfsterilisiert werden können, es ist allerdings schwierig zu benetzen und kaum zu verkleben. Der Kontaktwinkel mit Wasser beträgt 126°. Es ist bekannt, dass PTFE unter bestimmten Bedingungen mit Plasma behandelt werden kann um die Oberflächenenergie zu erhöhen. [9,10,11,12]

Zusammenfassung

Alle betrachteten niederenergetischen Kunststoffoberflächen (Polypropylen, Silikon und Teflon) lassen sich sehr gut mit der kalten Entladung des piezobrush® PZ2 aktivieren und zeigen eine deutliche Erhöhung der Oberflächenenergie. Für PTFE ist Formiergas (Stickstoff/Wasserstoff) bei weitem wirkungsvoller als Luft.

Literatur

  1. Martina Lindner, Norbert Rodler, Marius Jesdinszki, Markus Schmid, and Sven Sangerlaub. Surface energy of corona treated PP, PE and PET films, its alteration as function of storage time and the effect of various corona dosages on their bond strength after lamination. Journal of Applied Polymer Science, 135(11):45842, 2018.
  2. Igor Novák and Ivan Chodák. Adhesion of poly(propylene) modified by corona discharge. Die Angewandte Makromolekulare Chemie, 260:47-51, 1998.
  3. J. Skalný, M. Luknáarová, and D. Dindošová. AC corona – discharge treatment of polypropylene foils effects of gaseous atmosphere. Czech. J. Phys B, B38:329-337, 1988.
  4. Mark Strobel, Viv Jones, Christopher S. Lyons, Michael Ulsh, Mark J. Kushner, Rajesh Dorai, and Melvyn C. Branch. A comparison of corona-treated and flame-treated polypropylene films. Plasmas and Polymers, 8:61-95, 2003.
  5. Emmanuel P. Everaert, Henny C. Van Der Mei, Joop De Vries, and Henk J. Busscher. Hydrophobic recovery of repeatedly plasma-treated silicone rubber. part 1. Storage in air. Journal of Adhesion Science and Technology, 9(9):1263-1278, 1995.
  6. Jongsoo Kim, Manoj K. Chaudhury, Michael J. Owen, and Tor Orbeck. The mechanisms of hydrophobic recovery of polydimethylsiloxane elastomers exposed to partial electrical discharges. Journal of Colloid and Interface Science, 244:200-207, 2001.
  7. Jongsoo Kim, Manoj K. Chaudhury, and Michael J. Owen. Modeling hydrophobic recovery and electrically discharged polydimethylsiloxane elastomers. Journal of Colloid and Interface Science, 293:364-375, 2006.
  8. Elidiane C. Rangel, Giovana Z. Gadioli, and Nilson C. Cruz. Investigations on the stability of plasma modified silicon surfaces. Plasma and Polymers, 9(1):35-48, 2004.
  9. P. Favia, A. Milella, L. Iacobelli, and Riccardo d’Agostino. Plasma Pretreatments and Treatments on Polytetrauoroethylene for Reducing the Hydrophobic Recovery, chapter 20, pages 271-280. John Wiley & Sons, Ltd, 2005.
  10. Shinya Ishikawa, Ken Yukimura, Koichi Matsunaga, and Toshiro Maruyama. Surface modification of poly(tetrauoroethylene) film using dielectric barrier discharge of intermittent pulse voltage. Japanese Journal of Applied Physics, 39(9R):5223-5228, 2000.
  11. Ulla König, Mirko Nitschke, Anke Menning, Grit Eberth, Matin Pilz, Christine Arnhold, Frank Simon, Gudrun Adams, and Carsten Werner. Durable surface modification of poly(tetrauoroethylene) by low pressure H2O plasma treatment followed by acrylic acid graft polymerization. Colloids and Surfaces B: Biointerfaces, 24(1):63- 71, 2002.
  12. Akira Takeuchi, Takahiro Kurahashi, and Kyosuke Takeda. Effect of microwave plasma surface treatment for improved adhesion strength of direct copper plating on polytetrauoroethylene (PTFE). In Conference Proceedings of IPC APEX EXPO, pages 1-7, April 2009.

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